Modern Talking – Das (nicht mehr ganz so) Junge Nationaltheater bleibt experimentell & „young at heart“

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Ginge es nach Jahren, dann dürfte man das Junge Nationaltheater Mannheim seit letztem Wochenende nicht mehr wirklich als „jung“ bezeichnen, denn das Schauspielhaus feierte mit einem 3-tägigen Fest für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sein 40-jähriges Bestehen. Ein Wochenende, das nicht nur zum gemeinsamen Feiern einlud, sondern viele wichtige Fragen stellte – zur Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart des Theaters.

„Wer kommt in unserer Gesellschaft nicht zu Wort?“, mit dieser Frage läutete am Freitag das Diskussionsformat „JOIN: Junger Diskurs“ den ersten Programmpunkt der Geburtstagsfeierlichkeiten ein. Dass diese Frage zum Programm wurde, war schnell klar, denn das JNTM bot eine Bühne für alle, die sonst nur schwer Gehör finden. Unter dem Motto „Wer spricht? / Who is talking? / Konusan kim?“ wurde gemeinsam darüber reflektiert, wer denn eigentlich die Stimmen sind, die Theater machen und ob tatsächlich jeder die gleichen Chancen hat, die Bretter, die die Welt bedeuten, zu gestalten – wobei man „Theater“ auch als Allegorie auf die „Weltbühne“ verstehen konnte. Mitmachen bzw. mitdiskutieren konnte jeder, der dem regnerischen Wetter trotzte und den Weg in das liebevoll dekorierte Studio „Alte Feuerwache“ fand.

Als Anregung der generationsübergreifenden Diskussionsrunde dienten insgesamt 10 Kurzvorträge, die inhaltlich eine breite Spanne an Themen abdeckten. Von der Aufforderung, die Seh- und Hörgewohnheiten im Theater zu erweitern, bis hin zu Texten über Rassismus und Ausgrenzungserfahrungen, die Redner brachten eine Vielzahl von immer noch relevanten Missständen zum Ausdruck.

Mit ihrem Text „Schwarze Haut auf weißem Boden“ hob Berryl Amedegnah beispielsweise hervor, wie Sprache auch heute noch rassistisches Gedankengut reproduziert und wieso es so wichtig ist, dass vor allem die Menschen über Fragen der Ausgrenzung sprechen, die es auch tatsächlich betrifft. Auch Angela Lörr und Frank Oberhäuser vom Theater-Kollektiv Turbo-Pascal riefen dazu auf, zu hinterfragen, warum Theater vor allem von der „weißen, privilegierten Mehrheitsgesellschaft“ gestaltet wird, wenn es augenscheinlich ein Ort ist, der für jeden zugänglich sein sollte.

Nicht minder experimentell und innovativ ging es zwischen den Vorträgen zu: Per Zufallsprinzip fanden sich jeweils 2 Personen zusammen und konnten eine Minute lang ihre Gedanken zu den Vorträgen austauschen. Fragen und Anregungen an die Redner konnten in dieser Zeit in Form von kleinen Post-It’s an einer Pinnwand gesammelt werden. Was für den einen oder anderen zunächst etwas befremdlich war, wurde im Verlauf der Veranstaltung zu einer fast schon familiären Gesprächsrunde, die sich nur schwer an die eine Minute-Regelung halten konnte. Auch insgesamt bot sich, trotz der durchaus ernsten Themenfelder über die gesamte Veranstaltung hinweg ein sehr ausgelassenes Stimmungsbild.

Schon am ersten Tag hat das JNTM bewiesen, dass es nicht zum alten Eisen gehört und mit innovativen Ideen das Publikum überzeugt. Die Besucher sollen nicht nur unterhalten werden, sondern auch an der aktiven Gestaltung des Theaters partizipieren dürfen. Mehr noch, das JNTM möchte Menschen, die sonst wenig Beachtung in der Gesellschaft finden, ein Podium bieten. Schließlich sollte das Theater – als Spiegelbild der Gesellschaft – Diversität nicht ausschließen.

 

 

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